Brian Ulrich
Copia Dark Stores
Die Arbeiten der Ausstellung Dark Stores, Dead Malls & Ghost Boxes sind Teil der Serie COPIA (lat. Überfluss) in der Brian Ulrich seit 2001 scheinbar vordergründig alltägliche Vorgänge des Konsumierens in Form dokumentarischer Szenen und Porträts beobachtet. Ausschlaggebend für dieses Projekt war George W. Bushs Aufruf zum Patriotismus im Jahr 2001, als er die Bevölkerung dazu anhielt, die Treue zum Heimatland durch Kaufkraft auszudrücken. Ulrich beobachtet seitdem die Begleiterscheinungen einer konsumorientierten Welt in ihren kulturellen und sozialen Facetten auf den Bühnen der amerikanischen Einkaufszentren. Die Serie COPIA hat mehrere Unterteilungen, die den Verfall des Erfolgskonzepts Shopping Mall dokumentieren. Den Beginn macht RETAIL, Einzelhandelsalltag in Shopping Malls. THRIFT zeichnet den wirtschaftlichen Verfall durch Schließungen vieler Einkaufszentren nach und beobachtet die Veränderungen durch Nutzung der Räumlichkeiten als Outlet- oder Thrift-Stores. DARK STORES schließt die Kette der Mall-Serie vorerst mit Aufnahmen leerstehend zurückgelassener Einkaufsanlagen ab.
Dark Stores, Dead Malls und Ghostboxes sind Einzelhandelsbegriffe die tatsächlich zur Umschreibung von nicht mehr genutzten Verkaufsflächen dienen. Brian Ulrichs analoge großformatige Aufnahmen entstehen oft bei Nacht. Dabei schreibt er den Gebäuden ironischerweise eine Größe als Relikt oder Monument von kultureller Bedeutung ein, die sie ursprünglich nie hatten. Die zurückgelassenen Orte werden zu einer eigenen, neuen Landschaft, die von Brian Ulrich im Stil der von Lewis Baltz, Stephen Shore oder Bernd und Hilla Becher geprägten „New Topographics" interpretiert werden. Besonders interessant dabei ist vor allem der sich schließende Kreis einer fotografischen und vielleicht wirtschaftlichen Ära die sich in den Arbeiten von Stephen Shore und Brian Ulrich erkennen lässt. Die in den 70er Jahren von Stephen Shore fotografierten, damals neu eröffneten Shoppinganlagen, wurden von Brian Ulrich zum Zeitpunkt ihres bereits eingetretenen Verfalls abgelichtet – eine Rückkehr zum Ausgangspunkt der die Fotografien beider Künstler tiefer in die künstlerische Dokumentarfotografie einschreibt.
Zentral ist in Ulrichs Arbeiten der klassische Umgang mit Licht und Farbe. Seine Fotografien zeichnen sich durch klare und ausgewogene Kompositionen aus. Dadurch kann jede Arbeit als Einzelbild existieren, ohne auf den Zusammenhang der thematischen Serien angewiesen zu sein. Zudem sind seine Porträts und Szenen aus den Malls und Thriftstores sowie seine jüngsten Arbeiten nie stumpfe Kritik oder in herablassender Absicht gegenüber Subjekt oder Objekt entstanden. Durch sensiblen und intelligenten Einsatz der Kamera gelingt Brian Ulrich ein eigenständiger Beitrag zeitgenössischer Betrachtung zu Kunst und Gesellschaft.
Copia Retail
Nach 2001 wurden US Amerikaner von ihrer Regierung im Zuge von 9/11 auf die wichtige Rolle des fortwährenden Konsums und der Erhaltung der Inneren Marktwirtschaft hingewiesen. Ulrichs Projekt Copia, das lateinische Wort für Überfluss, ist als ein Kommentar auf diese Aufforderung zu verstehen.
Schon früher haben sich Künstler mit dem Phänomen des Konsums in Amerika beschäftigt. Garry Winogrand bezeugt in seinen Bildern aus den 60er Jahren die wirtschaftliche Expansion Amerikas nach dem 2. Weltkrieg. In diesem Zusammenhang sei auch an die Arbeiten Tina Barneys erinnert, die den amerikanischen Reichtum vor Augen führen. Sicherlich sind auch die Arbeiten Andreas Gurskys in den Kontext von Warenüberfluss zu stellen. Alle diese Arbeiten sind illustrierter Zeitgeist.
Ulrichs Bilder geben den Zeitgeist des neuen Jahrtausends in Amerika wieder, das von exzessivem Konsum und dem Anti-Terror-Krieg geprägt ist. Schon immer waren Krieg und wirtschaftliche Maßnahmen an der Heimatfront miteinander verbunden. Allerdings forderten frühere Politiker in Krisenzeiten Verzicht, während die Bushregierung die Nation zum Gegenteil auffordert: die Stärkung der nationalen Wirtschaft in Zeiten der Globalisierung und geopolitischer Gefahren durch erhöhten Konsum. Dieser Krieg wird eben auch in der Heimat mit den Mitteln der Kreditkarte, verzögerter Zahlungen sowie Nachlässen bei Aufträgen ausgefochten.
In Ulrichs Arbeiten starren die gezeigten Personen wie hypnotisiert auf Waren, die Figuren stehen im Bann der Konsumgüter. Die Entscheidung für dieses oder jenes Produkt fordert ihre ganze Aufmerksamkeit. In ihrer stillen Ernsthaftigkeit scheinen sie mit diese nun mittelbaren Entscheidungen ihren Beitrag zum großen Ganzen leisten zu wollen. Ulrichs Arbeit Money und Redemption zeigt uns ganz augenscheinlich diese metaphorische Dimension.
Die Copia-Serie ist von der Aperture Foundation als Katalog veröffentlicht worden. Er unterrichtet Photography, Web Design und Visuelle Kommunikation am Columbia College, der Marwen Foundation und an der Universität von Akron. Brian Ulrich ist in bedeutenden Sammlungen wie Margulies Collection Miami, Art Institute of Chicago, LaSalle Bank Chicago, Museum of Contemporary Photography Chicago sowie in privaten Sammlungen weltweit (Brüssel, Atlanta, Los Angeles, Chicago, Cleveland, Miami, Newark, New York) vertreten.