Lothar Wolleh

Lothar Wolleh (1930 – 1979) – einer der genialsten und ungewöhnlichsten deutschen Portraitfotografen der 60iger und 70iger Jahre.  Sein Großprojekt und Lebenswerk sind Künstlerporträts, die er ab den frühen 60er Jahren bis zu seinem plötzlichen Tod 1979 systematisch erarbeitete. Sie entstanden ohne Auftrag, angetrieben allein durch das Ziel der lückenlosen Dokumentation der Kunstszene der 60iger und 70iger Jahre in Deutschland und Europa: es entstanden Aufnahmen von Georg Baselitz, Joseph Beuys, Lucio Fontana, Gotthard Graubner, Heinz Mack, René Magritte, Henry Moore, Man Ray, Roman Opalka, Otto Piene, Gerhard Richter, oder Günther Uecker um nur einige zu nennen.

Im Vordergrund jedes Portraits steht eine tiefe emotionale Auseinandersetzung Wollehs mit dem jeweiligen Künstler und dessen Werk. Jedes seiner Portraits, das vor der Aufnahme bis ins Detail in seinem Kopf entstanden ist, ist im quadratischen Hasselblad-Format, mit klarem, stark grafischen Bildaufbau. Zentral ist zweifelsohne auch der integrierte schwarze Rand. Dieser gilt in vor allem in der Fotografie der 60iger Jahre  als Beweis für eine nicht manipulierte Aufnahme. Blitzlicht und künstliches Licht lehnte er zudem kategorisch ab. Für Wolleh sollte das Bild einen sachlichen, authentischen Wirklichkeitsausschnitt darstellen, auch wenn er immer der Regisseur seiner Inszenierung blieb.

Lothar Wolleh studierte ab 1946 Kunst an der nach dem Vorbild des Bauhauses gegründeten Hochschule für Angewandte Kunst in Berlin Weißensee.  Eine Verhaftung durch die sowjetische Besatzungsmacht wegen angeblicher Spionage beendete vorerst früh seine Karriere. Fast sechs Jahre musste er unter erbarmungslosen Bedingungen in einem sowjetischen GULAG ausharren, bevor er 1956 nach Berlin West zurückkehren durfte.  Ab 1959 studierte Wolleh an der Folkwang Schule in Essen unter Otto Steinert und zog 1962 nach Düsseldorf, dem damaligen Zentrum für Kunst in Deutschland. Schnell machte sich Lothar Wolleh neben Charles Wilp, Helmut Newton und FC Gundlach einen Namen in der Werbefotografie und avancierte zu einem der bestbezahltesten Fotografen der Bundesrepublik.

Parallel konzentrierte er sich zunehmend auf seine autonomen, künstlerischen Projekte und beendete seine Karriere als kommerzieller Fotograf schließlich ganz. Neben den Künstlerportraits fotografierte Wolleh, ebenso ohne Auftrag, die Männer der Wirtschaft. Aufnahmen von Josef Neckermann, Peter von Siemens, oder Rudolf Leiding, der Vater des Golf, oder Mathias Seefelder (BASF), sind das Ergebnis. Andere Projekte in dieser Art sind die erstaunlichen Farbaufnahmen aus dem Vatikan in den frühen 60iger Jahren, oder die Serie des arbeitenden Menschen, angelehnt an August Sanders Werk.

Die in diesen Jahren entwickelten tiefen Freundschaften zu Künstlern, vor allem zu Günther Uecker und Joseph Beuys, führten auch zu  gemeinsamen Buchprojekten wie dem Unterwasserbuch (1971) mit Beuys oder dem Nagelbuch von 1970 mit Uecker. Andere Kollaborationen finden sich auch in dem für diese Zeit vielleicht erstaunlichsten  Werkkomplex  wieder: die von den Künstlern selbst überarbeiteten Portraits, die Wolleh zu diesem Zwecke auf Leinwand übertragen hatte. Lucio Fontana zerschlitzte die Leinwand seines eigenen Abbildes, Günther Uecker arbeitete eine Schicht Sand in sein Portrait am Meer, Man Ray applizierte eine Reihe gelber Filmrollen auf sein Portrait in seinem Studio. So entstand eine einzigartige Symbiose zwischen Fotograf und Künstler die in der Kunstgeschichte ihresgleichen sucht.

Erst jetzt nach fast 30 Jahren erkennt die Kunstwelt Lothar Wollehs wichtige und vor allem visionäre Arbeit, die die Galerie f5;6 in Zusammenarbeit mit dem Estate Lothar Wolleh nun mit einem Schwerpunkt auf den Künstlerportraits einer breiteren Öffentlichkeit präsentieren wird. Teile von Lothar Wollehs Werk wurden bis jetzt hauptsächlich in Deutschen Institutionen ausgestellt: zb. Kunsthalle Bremen, Museum Kunstpalast, Düsseldorf, Kunstmuseum Ahlen, Ludwig Museum, Koblenz.

Arbeiten des Künstlers