Olaf Martens
Divers
Seit 1996 zieht es Martens immer wieder magisch in die schillernde Metropole St. Petersburg, im hohen Norden Russlands. Nicht nur die Fülle der glanzvollen Motive fasziniert ihn. Ein beständiger Taumel zwischen Schein und Sein, zwischen Inszenierung und Natürlichkeit, eint Stadt und Künstler. Martens Ziel ist es nicht, ein fotografisches Abbild zu nehmen, sondern ein Bild zu realisieren.
Wie einst Fürst Potjomkin, Katharina II. auf ihrer Krimreise mittels Dorfattrappen Wohlstand suggerierte, und sich heute der Geist St. Petersburgs in einer bisweilen flamboyanten Architektur häufig als „unverträgliches Phantasie- und Kunstprodukt” (Felix Philipp Ingold) offenbart, so greift auch Olaf Martens ins Geschehen ein. Nichts liegt ihm ferner als fotografisch festzuhalten, was der Zufall ihm vor die Kamera führt. Seine Bilder sind Ergebnisse einer bewussten Manipulation des Realen. In konstruierten Bildwelten werden Schönheit, Glanz und übermütig inszenierter Schein einer Metropole eingefangen. Dabei entzieht sich Martens inhaltlich jeglicher Kategorisierung, indem er Versatzstücke aus der Mode-, Lifestyle-, Architektur- und Sozial-, ja sogar Tierfotografie zu einem postmodernen Eklektizismus zusammenfügt.
Er untergräbt die scheinbar homogene Fassade des Fotografischen, lässt sie durch die Kombination widersprüchlicher Details zerspringen, so dass die Ungereimtheiten anschaulich werden, und kombiniert sie in einer betont hybriden Mixtur aufs Neue. Es fällt nicht auf, wenn die Frauen in Martens Bilderwelt – häufig zitiert er bekannte und weniger bekannte, gleichwohl von ihm geschätzte Bilder der Kunstgeschichte wie Abendmahldarstellungen von da Vinci oder Tintoretto – keine professionellen Models sind. Dann wieder stechen Näherinnen ins Auge, die in einer Szene, die eigentlich vollendet wirkt, letzte Hand an einem Kleidungsstück anlegen.
So wie sich hinter den wunderbaren Fassaden der Paläste und Stadtvillen von St. Petersburg – Schauplätze für seine Inszenierungen – weitere Fassaden auftun und hinter diesen wieder andere, öffnet Martens mit seinen Fotografien alle möglichen Räume für die Phantasie des Betrachters – gleich der russischen Puppe, die scheinbar unendlich viele weitere Puppen in sich birgt.
Der 1963 in Halle geborene Olaf Martens studierte Fotografie an der Hochschule Graphik und Buchkunst in Leipzig. Vielfache Veröffentlichungen und Titelseiten (u.a. im Magazin der Frankfurter Allgemeinen, SPIEGEL, Stern, Geo, Art Kunstmagazin, sowie mehrere Buchpublikationen). Seit Ende der 90er Jahre sind Martens Arbeiten in einer Vielzahl von äußerst erfolgreichen Gruppen- und Einzelausstellungen u. a. in Dresden, Moskau, Lyon und Berlin ausgestellt worden. 2004 werden Arbeiten von Martens außer in der Galerie f5;6 für fotografische Kunst in München auch im Deutschen Historischen Museum Berlin, im Moskauer Haus der Fotografie, in Bochum und eine Werkschau im Grassi Museum Leipzig, sowie in Rotterdam zu sehen sein.
Der Bildband, „Masken & Fassaden – St Petersburger Perspektiven“ (Arnoldsche Verlag) ist 2003 erschienen und wurde mit dem Stuttgarter Fotobuchpreis 2003 ausgezeichnet.